Manisch-depressive Erkrankung

(bipolare affektive Störung)
Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

 

Was ist eine manisch-depressive Erkrankung?

"Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt", so übersetzt der Volksmund die Diagnose manisch-depressive Erkrankung. Die Krankheit ist durch abwechselnde Episoden von Depressionen und gehobener

Stimmung (Manie) gekennzeichnet. Es ist ein Kaleidoskop menschenmöglicher Stimmungslagen zwischen Euphorie und abgrundtiefer Einsamkeit.
Die Zahl der Episoden ist von Person zu Person verschieden. Manche haben nur eine einzelne Episode, andere haben viele. Zwischen den Episoden ist der Patient meist psychisch gesund. Schätzungsweise sind ein Prozent der Bevölkerung von der manisch-depressiven Erkrankung betroffen.

 

Wie entstehen manisch-depressive Erkrankungen?

Familien- und Zwillingsstudien haben gezeigt, dass erbliche Faktoren für die Entstehung der Krankheit von Bedeutung sind. Bisherige Untersuchungen lassen vermuten, dass ein kompliziertes Zusammenspiel mehrerer Gene mit verschiedenen Umweltfaktoren für die Erkrankung verantwortlich ist.
Vieles deutet darauf hin, dass die Fähigkeit zur Regulation wichtiger Neurotransmitter (chemische Stoffe, die Nervensignale weiterleiten, z.B. Serotonin, Noradrenalin, Dopamin) im Gehirn gestört ist. Eine Therapie zielt deshalb darauf ab, eine kontrollierte Ausschüttung dieser Signalstoffe zu erreichen.

 

Wie machen sich manisch-depressive Erkrankungen bemerkbar?

In den depressiven Phasen dominiert das Krankheitsbild der Depression:

  • Gedrückte Stimmung
  • Starke Hoffnungslosigkeit
  • Fehlender Antrieb und Freudlosigkeit
  • Schlafstörungen und Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust sind häufig
  • Die Mimik ist starr, die Sprache meist leise und die Antworten kommen verzögert
  • Der Patient leidet an fehlendem Selbstbewusstsein und Selbstvorwürfen
  • Die Gedanken kreisen oft um Tod und Selbstmord

In den manischen Perioden ist das Krankheitsbild genau entgegengesetzt. Der Betroffene hat Lebenskraft und das Bedürfnis, etwas zu tun. Die wichtigsten Symptome sind:

  • Gehobene Stimmung, Aggression, Reizbarkeit (Irritabilität)
  • Stark gesteigerter Antrieb und Energie: Das Bedürfnis zu schlafen fehlt.
  • Drang zu Reden: Die Stimme ist kräftiger, und man spricht schneller als sonst
  • Meist keine Krankheitseinsicht
  • Hemmungsloses und unkritisches Verhalten, gesteigerte Impulsivität und Spontanität. Dies kann
  • sich z.B. durch Kaufrausch bemerkbar machen
  • Erhöhtes Selbstbewusstsein

Wie erstellt der Arzt die Diagnose?

Es gibt keine sicheren Tests, aber das Krankheitsbild mit den extremen Stimmungsänderungen ist so charakteristisch, dass der Arzt die Diagnose meist relativ problemlos stellen kann. Bei der ersten Episode kann es manchmal schwieriger sein. Oft leiden auch Verwandte an der manisch-depressiven Erkrankung, was bei der Diagnosestellung hilfreich sein kann.

 

Wie wird die manisch-depressive Erkrankung behandelt?

Es gibt effektive Behandlungen sowohl für Depressionen als auch für Manien. Da aber selbst nach einer erfolgreichen Behandlung immer wieder Rückfalle auftreten können, ist eine längerfristige Rückfall verhütende Behandlung wichtig.
 

Die Behandlung der depressiven Episode hängt von der Schwere der Symptome ab:

Bei leichten Depressionen kann eine Gesprächstherapie ausreichend sein, oft werden jedoch zusätzlich Medikamente (Antidepressiva) notwendig:

  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (Medikamente, die die Wirkung von Serotonin im
  • Gehirn erhöhen)
  • Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (Medikamente, die die Wirkung von Noradrenalin im
  • Gehirn erhöhen)
  • Trizyklische und Tetrazyklische Antidepressiva (Medikamente, die die Wirkung von
  • Noradrenalin und Serotonin im Gehirn erhöhen)
  • Mono-Amino-Oxidase (MAO)-Hemmer (Medikamente, die das Enzym MAO hemmen und
  • dadurch den Abbau bestimmter Botenstoffe wie Noradrenalin und Serotonin im Gehirn
  • verlangsamen)
  • In schweren Fällen, besonders in Verbindung mit Selbsttötungsabsichten (Suizidgedanken), kann die Einweisung in ein Krankenhaus notwendig werden.
  • Die manischen Episoden behandelt der Arzt medikamentös mit Neuroleptika (antipsychotische Medikamente), Lithiumsalzen (z.B. Lithiumcarbonat) oder Valproinsäure.

Wie kann man der manisch-depressive Erkrankung vorbeugen?

Das Auftreten von manischen oder depressiven Episoden kann durch eine langfristige Gabe von Lithium verhindert werden. Eine derartige Lithiumprophylaxe ist jedoch nur erfolgreich, wenn Patient und Arzt sehr eng, vertrauensvoll und zuverlässig zusammenarbeiten.
Weniger gut belegt ist als Alternative die rückfallvorbeugende Behandlung mit Carbamazepin. Bisher nicht ausreichend belegt ist die rückfallverhütende Wirkung von Valproinsäure.
Wichtig ist auch ein geregelter Lebensrhythmus. So kann z.B. manchmal durch zu wenig Schlaf eine manische Episode ausgelöst werden.

 

Wie ist die Prognose?

Durch eine konsequente Behandlung kann den meisten Patienten gut geholfen werden: Sowohl depressive als auch manische Phasen können zum Abklingen gebracht werden.
Entscheidend für die Prognose ist die enge Zusammenarbeit zwischen Patient und behandelnden Ärzten:

Dies hilft z.B. drohende manische oder depressive Rückfälle rechtzeitig zu erkennen

Eine enge Kooperation zwischen allen Beteiligten sichert auch eine regelmäßige und präzise

Langzeitbehandlung.

                                                                                                                     

 

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